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Gastbeitrag - (Homo-)Sexualität ist doch Privatsache … oder nicht?

Aktualisiert: 17. Nov. 2021

LGBTIQ+-Personen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und queere Personen) hat es in allen Formen immer schon gegeben. Doch die Erfahrungen, die unsere Vorgängergenerationen während des 2. Weltkriegs und danach bis hinein in die 1990er Jahre (Gefängnisstrafen, soziale Ächtung, Job- und Wohnungsverlust) gemacht haben, prägen viele Menschen in der Community immer noch. Sie stehen daher nicht zu ihrer Identität und schweigen über ihr Privatleben. So ist nach einer Studie der AK Wien etwa jede*r 5. am Arbeitsplatz gar nicht geoutet und 6 von 10 Personen erzählen nur auf direkte Nachfrage, wie sie wirklich leben.

(C) Yvonne Mikscha

Aber das macht ja nichts? Die eigene Sexualität ist doch Privatsache!?!


Nein, denn hier geht es nicht um das Sexleben eines Menschen, sondern um das Beziehungs- bzw. Privatleben und dieses wird am Arbeitsplatz ständig thematisiert.

Egal, ob die Kollegin während der Kaffeepause vom Urlaub mit ihrem Ehemann erzählt oder der Kollege ein Bild von Frau und Kind(ern) am Schreibtisch stehen hat. Heterosexuelle Personen outen sich ständig und sehen darin kein Problem.

Wenn Menschen sich in einem System nicht so angenommen fühlen, wie sie sind, weil ein LGBTIQ+-feindliches Klima am Arbeitsplatz besteht (z.B. schwulenfeindliche oder sexistische Sprüche), gibt ihnen das das Gefühl „nicht in Ordnung zu sein“.

Können sie nicht zu sich stehen und müssen aufpassen, was sie erzählen oder gar lügen, kostet sie das sehr viel Energie, die sonst in die Arbeit fließen könnte. Aus diesem Grund sollten auch Arbeitgeber*innen ein großes Interesse an einem offenen Klima haben. Besonders, da diverse Teams lt. Studien eine wesentlich bessere Performance erbringen als homogene Teams.


Als Beraterin für LGBTIQ+ Personen merke ich einen Generationenwechsel. Durch Vorbilder in Medien und Social Media, sowie dem guten Zugang zu Informationen über das Internet, aber auch Filme und Fernsehserien mit LGBTIQ+-Charakteren sind die nachkommenden Generationen gut aufgeklärt, was nicht-heteronormative Lebensweisen betrifft. Information macht offener und hilft beim Finden der eigenen Identität.


Die Gesellschaft ist doch so offen, warum ist das noch ein Thema?


(C) Sharon McCutcheon

Wir wachsen mit wenigen Ausnahmen in einer Familie und Gesellschaft auf, in der so lange davon ausgegangen wird, dass wir heterosexuell sind, bis das Gegenteil bewiesen ist. Auch heute müssen sich Menschen, die sich mit ihrer Identität zeigen möchten, noch als LGBTIQ+ outen.




Zuerst kommt hier das innere Coming-Out, so nennt sich der Prozess, in dem die Person sich selbst eingesteht, nicht der Norm zu entsprechen. Für viele ist dies mit Scham und Angst verbunden, denn es bedeutet, einer Minderheit anzugehören.

Einer Minderheit, über die auch in unserer aufgeklärten Gesellschaft noch Witze gerissen werden, wo schwul als Schimpfwort gilt, die auf der Straße schief angesehen wird und auch die Gewalt gegen LGBTIQ+ Personen nimmt wieder zu.

Dem inneren Coming-Out folgt das äußere Coming-Out, auch hier gibt es immer noch Eltern, die ihre Kinder verstoßen oder Freund*innen, die dann keine mehr sind. Diese Ängste müssen in der Beratung ernst und wahrgenommen werden.


Warum ist ein Coming-Out dann trotzdem wichtig?


Der Coming-Out-Prozess ist oft langwierig, Beratung kann hier begleiten und einen sicheren Platz schaffen.

Auch wenn es mal schwierig wird, eines vereint alle LGBTIQ+ Personen. Sie haben durch diesen Prozess viel über sich selbst und andere Menschen gelernt. Optimismus hilft und oft auch Zeit. Wer sich outet, hat sich – manchmal bereits viele Jahre – mit der eigenen Identität beschäftigt, diese Zeit brauchen auch Eltern oder Freund*innen, um sich mit der veränderten Situation auseinander zu setzen.


(C) Tara Marth

Außerdem ist es ein befreiendes Gefühl sich nicht mehr verstecken zu müssen und zu seinen Gefühlen und Bedürfnissen zu stehen. Keine Ausreden mehr, keine Lügen mehr und vor allem keine Angst mehr, von jemand anderem geoutet zu werden. Auch wird dadurch Kontakt zu Menschen möglich, die genauso leben. Weiters kann eine geoutete Person Vorbild für andere sein und die Gesellschaft bunter machen.


Es kann helfen, sich mit solchen Themen in der Beratung genauer auseinander zu setzen, sich erstmals im geschützten Rahmen ganz zu zeigen und sich mit all den eigenen Themen gut zu fühlen.


(c) Verena Moser



Mag.a Regina Riebl

Psychologische Beraterin/Lebens- und Sozialberaterin mit Schwerpunkt Einzel-, Sexual- & Paarberatung für LGBTIQ+ Personen
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